Rechercher

Hohe Zahlungsmoral belebt die Wirtschaft

Verkürzte staatliche Zahlungsfristen erhöhen die Bonität ihrer Zulieferunternehmen und ermöglichen ihnen die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte. Die positiven Beschäftigungseffekte erhöhter Zahlungsmoral hängen allerdings von der regionalen Arbeitsmarktsituation ab.

Kleinere und mittelgrosse Unternehmen haben oft Schwierigkeiten, Zugang zu Krediten zu finden und ihr Wachstum zu finanzieren.[1] Zum Beispiel verfügen sie über nur wenige Vermögenswerte, die sie als Sicherheiten hinterlegen können. Für potenzielle kreditgebende Unternehmen wiederum besteht grosse Unsicherheit über ihre Bonität. Solche Finanzierungsbeschränkungen behindern das Wachstum jener Unternehmen und blockieren die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Gerade in Krisen wie der Finanzkrise 2008 sind solche Unternehmen besonders stark vom Rückgang der Kreditvergabe betroffen. Wie kann der Staat kleinen und mittelgrossen Firmen den Zugang zu Finanzierung erleichtern und somit letztlich die Beschäftigung steigern? Neben Förderprogrammen, Garantien für Bankkredite oder Investitionsschutz gibt es eine weitere Möglichkeit, die meist ausser Acht gelassen wird: Der Staat ist oft ein wichtiger Kunde solcher Unternehmen und kann die Rechnungen schneller begleichen. Die Ökonomen Jean-Noël Barrot von der HEC Paris und Ramana Nanda von der Harvard Business School fragen sich, wie eine bessere staatliche Zahlungsmoral den Unternehmen helfen kann. Konkret untersuchen sie, wie der Staat die Neuanstellungen von Kleinunternehmen steigern kann, indem er ausstehende Rechnungen für Güter und Dienstleistungen rascher begleicht.

Reform verkürzt Zahlungsfristen


Die Forscher betrachten dazu die Zahlungsreform «Quickpay» in den USA im Jahr 2011. Sie beschleunigte das Zahlungsverhalten des Staates massgeblich, indem sie die Zahlungsfristen der Bundesbehörden dauerhaft von 30 auf 15 Tage nach Rechnungseingang verkürzte. Nach der Einführung von Quickpay im April 2011 gingen etwa die tatsächlichen Zahlungsfristen des US-Verteidigungsministeriums deutlich zurück (siehe Abbildung 1). Von dieser Reform profitieren vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, von denen der Staat Güter und Dienstleistungen im Wert von rund 100 Milliarden Dollar bezog. Wenn ein so wichtiger Kunde rascher zahlt, müssen die Unternehmen weniger liquide Reserven halten, um die Zeit zwischen den Lohnauszahlungen sowie der Begleichung anderer Kosten und dem Eingang von Zahlungen zu überbrücken. Dadurch stehen ihnen letztlich mehr Mittel zur Verfügung, um beispielsweise zu investieren oder neue Arbeitskräfte einzustellen.

Abb. 1: Durchschnittliche Zahlungsfristen des US-Verteidigungsministeriums an kleine und mittlere Lieferanten




Quelle: Barrot und Nanda (2020)

 

Die Wissenschaftler nutzten eine ganze Palette von Datenquellen. Zuerst identifizierten sie anhand offizieller Statistiken über das öffentliche Beschaffungswesen jene Unternehmen, welche den Staat belieferten und deshalb direkt von Quickpay profitierten. Dadurch konnten sie zahlreiche Charakteristika der betroffenen Unternehmen identifizieren. Zusammen mit Daten zu Beschäftigung, Löhnen und Bonität ermittelten die Forscher, wie sich die Reform auf die Beschäftigung in den betroffenen Unternehmen auswirkte. Ihr Fokus lag dabei auf der Veränderung dieser Kenngrössen zwischen 2011 und 2015, den Jahren nach der Einführung von Quickpay.

Stärkerer Beschäftigungszuwachs


Die empirischen Ergebnisse zeigen, wie sich die Zahlungsreform auf die Beschäftigung auswirkte. Unternehmen, welche den Staat belieferten, stellten zusätzliche Arbeitskräfte ein: Ihr Personalstand stieg um 1,7 Prozentpunkte stärker als bei anderen vergleichbaren Unternehmen, welche den Staat nicht belieferten und daher nicht von rascheren Zahlungen profitieren konnten. Dieser Unterschied ist verglichen mit dem durchschnittlichen Beschäftigungswachstum im Zeitraum 2011-2015 von 0.4 Prozent ökonomisch bedeutsam.

Diese Ergebnisse machen deutlich, dass der erschwerte Zugang zu Finanzierung kleine und mittlere Unternehmen dabei hemmt, zu investieren und neue Arbeitskräfte einzustellen. Bezahlt die Kundschaft ihre Rechnungen schneller, dann entspannt sich die Liquiditätssituation und der Zugang zu Finanzierung wird einfacher. In Folge nimmt die Beschäftigung in solchen Betrieben signifikant zu. Das typische Zulieferunternehmen erzielte rund 8,5 Prozent seines Umsatzes mit Verkäufen an den Staat. Die Wissenschaftler berechneten anhand ihrer Schätzergebnisse folgendes Szenario: Würden nicht nur die staatlichen Behörden, sondern die gesamte Kundschaft ihre Rechnungen 15 Tage früher bezahlen, könnte das betroffene Unternehmen durchschnittlich rund 20 Prozent mehr Arbeitskräfte einstellen. Bei einer Firma mit 10 Angestellten beispielsweise wären dies zwei Personen mehr.

Bonität der Zulieferunternehmen erhöht sich


Die kürzeren Zahlungsfristen des Staates wirken sich zudem auf die Zahlungsmoral und Bonität der Zulieferunternehmen selbst aus. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen ihr Kreditrating auf einer Skala von 1 bis 100 um einen Punkt verbessern konnten, wenn sie von Quickpay direkt betroffen waren. Sie gerieten bei ihren eigenen Zulieferfirmen oder Kreditunternehmen seltener in Verzug und bezahlten die Rechnungen schneller. Das Insolvenzrisiko ging zurück. Dabei zeigte sich, dass sich das Rating bereits innerhalb der ersten sechs Monate nach der Reform verbesserte. Der Beschäftigungseffekt trat zwischen sechs und achtzehn Monaten später ein.

Wie wirkte sich Quickpay insgesamt auf den Arbeitsmarkt aus? Die Forscher schätzten schliesslich die Beschäftigungseffekte auf regionalen Arbeitsmärkten. In einem aus Unternehmenssicht entspannten Arbeitsmarkt mit wenigen offenen Stellen und vielen Arbeitslosen führte Quickpay zu einem Anstieg der gesamten Beschäftigung. Kleinere und mittlere Unternehmen, die sich dank der Reform leichter finanzieren konnten, fanden leicht neues Personal. Hingegen zeigte sich auf angespannten Arbeitsmärkten mit vielen offenen Stellen und wenigen Arbeitslosen insgesamt kein signifikanter Beschäftigungszuwachs. Vielmehr fanden die Forscher Hinweise für Verdrängungseffekte: Das Wachstum der betroffenen Unternehmen ging auf Kosten jener Firmen, welche den Staat nicht belieferten und so nicht von Quickpay profitierten. Sie wiesen ein deutlich niedrigeres bzw. rückläufiges Beschäftigungswachstum auf und konnten manche Stellen nicht nachbesetzen.

Eine hohe Zahlungsmoral hilft der Wirtschaft. Zahlt der Staat seine offenen Rechnungen rascher, profitieren seine kleinen und mittelgrossen Zulieferunternehmen. Sie verfügen über mehr liquide Mittel und haben daher einfacheren Zugang zu Finanzierung. Sie können wachsen und zusätzliche Arbeitskräfte einstellen. Dabei hängt der Gesamteffekt von der Lage auf dem regionalen Arbeitsmarkt ab: Ist die Arbeitslosigkeit bereits tief und herrscht ein starker Wettbewerb unter Firmen um talentierte Arbeitskräfte, dann ist aufgrund von Verdrängungseffekten die Wirkung auf die gesamte Beschäftigung deutlich geringer. Dafür ist die Wirkung bei hoher Arbeitslosigkeit umso grösser, wenn die Wirtschaft besonders dringlich Entlastung braucht.

  1. Dieser Artikel basiert auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen von Barrot und Nanda (2020). []

Bibliographie

Barrot, Jean-Noël und Ramana Nanda (2020), The Employment Effects of Faster Payment: Evidence from the Federal Quickpay Reform, erscheint in: Journal of Finance.


Bibliographie

Barrot, Jean-Noël und Ramana Nanda (2020), The Employment Effects of Faster Payment: Evidence from the Federal Quickpay Reform, erscheint in: Journal of Finance.

Proposition de citation: Lorenzo F. Currenti (2020). Hohe Zahlungsmoral belebt die Wirtschaft. La Vie économique, 26 novembre.

Serie: Next Generation

Dieser Artikel ist Teil der Reihe «Next Generation». Darin fassen herausragende Studierende der Universität St. Gallen aktuelle und bedeutende Forschungsresultate von international renommierten Wirtschaftswissenschaftlern kompakt zusammen. Betreut und herausgegeben wird die Reihe von Christian Keuschnigg, Professor für Nationalökonomie und öffentliche Finanzen. Weitere Artikel der Reihe finden Sie hier oder auf der Website der Universität St. Gallen.